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EuGH äußert erneut Bedenken zum Aufteilungsgebot von Leistungen

Aktuelles
10.05.2023

EuGH äußert erneut Bedenken zum Aufteilungsgebot von Leistungen

Die umsatzsteuerliche Aufteilung von Leistungen ist im deutschen Umsatzsteuerrecht eine Art Kunstgriff des Gesetzgebers, um den ermäßigten Umsatzsteuersatz so weit wie möglich einzudämmen. Diese Aufteilung ist an verschiedenen Stellen im Umsatzsteuergesetz geregelt und steht bei den Finanzgerichten seit Jahren auf dem Prüfstand.

Das wird nirgends so deutlich wie in der Hotellerie und Gastronomie. Denn der deutsche Gesetzgeber fordert eine Aufteilung der Leistungen auf unterschiedliche Steuersätze. Zu nennen wären hier zum Beispiel die Sparmenüs, bestehend aus einer Mahlzeit mit Getränk, sowie die Beherbergung mit ergänzenden Nebenleistungen, wie der Möglichkeit zur Teilnahme am Frühstück, der Parkplatzgestellung oder der Nutzung des Wellnessbereichs.

Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) sind hierzu einige Verfahren anhängig (Az. XI R 22/21, XI R 34/20, XI R 35/20 und XI R 7/21) und auch die Aussetzung der Vollziehung wurde vom BFH mit Beschluss vom 07. März 2022 (Az. XI B 2/21) gewährt, da das Aufteilungsgebot für ihn ernstlich zweifelhaft ist.

In einem Urteil über die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun weiteres Salz in die Suppe gegeben, wodurch sich für den BFH neue Erkenntnisse zur Beurteilung der anstehenden Entscheidungen ergeben könnten.

In diesem Urteil vom 04. Mai 2023 (Az. C-516/21) hat der EuGH die Vorlagefragen des BFH zum umsatzsteuerlichen Aufteilungsgebot beantwortet und dabei klargestellt, dass der Ausschluss der Steuerbefreiung für die Vermietung/Verpachtung von Betriebsvorrichtungen („auf Dauer eingebaute Vorrichtungen und Maschinen“ nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL) keine Anwendung findet, wenn diese Vermietung/Verpachtung eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Vermietung/Verpachtung eines Gebäudes ist und es sich insgesamt um eine wirtschaftlich einheitliche Leistung handelt.

Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Nebenleistung dazu dient, die Hauptleistung zu ergänzen, abzurunden und sie unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Laut EuGH kann der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung dem Aufteilungsgebot also in bestimmten Fällen vorgehen. Zunächst muss nun jedoch erst einmal der BFH entscheiden, ob und wie er das EuGH-Urteil zum Ausschluss der Steuerbefreiung für mitvermietete Betriebsvorrichtungen anwendet. In letzter Konsequenz können sich dadurch dann vermutlich auch Auswirkungen auf die Steuersatzermäßigung für Beherbergungsleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG und Restaurations- und Verpflegungsleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG ergeben, wenn der BFH seine Schlussfolgerungen für übertragbar hält. Zur Klarstellung durch den BFH besteht aufgrund der Vielzahl der anhängigen Verfahren jedenfalls eine entsprechend große Notwendigkeit.

Sofern der BFH das EuGH-Urteil für übertragbar hält, dürfte der Frage nach einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung in der Hotellerie und Gastronomie künftig wieder eine große Bedeutung zukommen.

Schaut man sich die Angebote in der Gastronomie und Hotellerie im Detail an, dann erkennt man deutlich, dass die anstehenden Entscheidungen in verschiedene Richtungen gehen könnten. Fraglich ist beispielsweise, ob es gegen eine einheitliche Leistung sprechen könnte, wenn die einzelnen Bestandteile nicht ausschließlich als Gesamtpaket am Markt angeboten werden, sondern von den Gästen auch einzeln dazugebucht werden können. Fragen, die nicht adhoc beantwortet werden können.

Zunächst sollte daher die weitere Entwicklung – insbesondere die nächsten Entscheidungen des BFH – abgewartet werden, um zu schauen, welche Konsequenzen sich aus den neueren Urteilen ergeben könnten. Insbesondere Gastronomen und Hoteliers sollten daher in Absprache mit ihrem Steuerberater Umsatzsteuerfestsetzungen nach Möglichkeit so lange offenhalten, bis sich das Bild etwas geklärt hat.

Die Abrechnungen sollten zum jetzigen Zeitpunkt zunächst noch unangetastet bleiben, da die Rechtslage nach wie vor unklar ist. Vor allem gegenüber Geschäftskunden empfiehlt es sich, den bisherigen Umsatzsteuerausweis unverändert zu belassen, um Diskussionen mit den Gästen zu vermeiden. Gegebenenfalls kann die Umsatzsteuer später vom Finanzamt zurückgefordert werden, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt. Das kann laut EuGH-Urteil vom 08. Dezember 2022 (Az- C-378/21) beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Leistungen gegenüber Endverbrauchern erbracht wurden. Hierzu wird sich der BFH erstmals in dem anhängigen Verfahren unter dem Az. XI R 19/22 positionieren.

Von einer Herabsetzung der Preise um die vermeintlich bestehenden Vorteile muss sogar dringend abgeraten werden. Denn wenn die Leistung insgesamt mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent Umsatzsteuer abgerechnet wird und sich später aber doch herausstellen sollte, dass diese dem Regelumsatzsteuersatz von 19 Prozent unterliegt, wird die Umsatzsteuer vom Prüfer schlicht aus dem vereinnahmten Betrag herausgerechnet.

Wer beispielsweise ein Sparmenü mit 10 Euro Umsatzerlös kalkuliert und aktuell lediglich 10,70 Euro gegenüber dem Gast als Pauschalpreis abrechnet, muss sich im Zweifel mit einem geringeren Umsatz von 9,70 Euro begnügen, weil das Finanzamt unter Anwendung der Vereinfachungsregelung für Sparmenüs (70 zu 30 für Speise und Getränk) insgesamt 1 Euro Umsatzsteuer fordert, anstatt der – tatsächlich nur gegenüber dem Gast abgerechneten – 0,70 Euro Umsatzsteuer.

Beispiel Netto Umsatzsteuer Brutto
Getränke (30%) 19% USt          2,70 €              0,51 €          3,21 €
Speise (70%) mit 7%          7,00 €              0,49 €          7,49 €
Gesamt          9,70 €              1,00 €        10,70 €

 

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