Beim Reitunterricht sind die Hürden hoch
Bundesfinanzhof setzt enge Grenzen für Umsatzsteuerbefreiung
Die Frage der Umsatzsteuerpflicht von spezialisiertem Unterricht, wie Schwimm-, Tanz, Tennis- oder Fahrschulunterricht beschäftigt auch nach vielen Jahren immer wieder die Gerichte. Der Gesetzgeber hat die Regelungen für Bildungsleistungen ab dem Jahr 2025 an die EU-Regelungen angepasst. Oftmals wurde in der Vergangenheit von Gerichten eine Entscheidung in Richtung Umsatzsteuerpflicht getroffen. Auch im vorliegenden Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22. Januar 2025 (XI R 9/22) betreffend Reitunterricht für Kinder und Jugendliche wurden die Zügel eng angezogen.
Reitunterricht für verschiedene Zielgruppen
Die Steuerpflichtige führte in den Streitjahren Reitkurse für Kinder und Jugendliche durch. Daneben bot sie Übernachtungen und Verpflegung für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen an. Mit Kursen der sogenannten Ponygruppe wurde Teilnehmern im Wesentlichen ermöglicht, den altersgerechten Umgang mit Ponys zu erlernen.
Zusätzlich bot die Steuerpflichtige Kurse der sogenannten Großen Pferdegruppe an, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen ausgerichtet waren. Die Teilnehmer verfügten bereits über reiterliche Erfahrung. Die Leistungsabzeichen bildeten die Voraussetzung, um im Rahmen einer Jahreslizenz in den Pferdeturniersport einzusteigen. Teilweise wurden Leistungsabzeichen auch gefordert, um die Ausbildung zum Pferdefachwirt in der Fachrichtung „Schwerpunkt Reiten“ zu absolvieren.
Des Weiteren bot die Steuerpflichtige Klassenfahrten für Schulen (Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren) an. Dieses Leistungsangebot sah vor, den häufig erstmaligen Kontakt mit Pferden zu ermöglichen und im Umgang mit Tieren das Einfühlungsvermögen zu schulen.
Finanzamt und Finanzgericht sind sich nicht einig
Die Steuerpflichtige behandelte alle Umsätze als umsatzsteuerfrei. Bei einer Außenprüfung beanstandete die Prüferin die geltend gemachte Steuerbefreiung und unterwarf alle Umsätze dem Regelsteuersatz. Das Finanzgericht entschied teilweise zu Gunsten der Steuerpflichtigen. Für Unterkunft und Verpflegung sowie für die Umsätze der Großen Pferdegruppe gewährte das Finanzgericht die Umsatzsteuerfreiheit. Dagegen legte das Finanzamt Revision ein.
Unterkunft und Verpflegung sind separat zu beurteilen
Der BFH stimmte dem Finanzgericht zunächst in dem Punkt zu, dass der Reitunterricht und die Unterkunft und Verpflegung getrennt voneinander zu betrachten und als selbständige Leistungen anzusehen sind. Einem Durchschnittsverbraucher komme es nicht bloß auf die Durchführung der Kurse an, sondern es sei ihm gleichermaßen wichtig, eine angemessene Unterkunft und Verpflegung während seines Aufenthalts zu erhalten.
Bei der Steuerfreiheit stimmte der BFH dem Finanzgericht allerdings nicht zu. Die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung wäre nur dann steuerfrei, wenn dem Unternehmer selbst die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der aufgenommenen Jugendlichen obliegen würde.
Aus Sicht des EU-Rechts muss es sich um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder eine andere (private) Einrichtungen handeln, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit im wesentlichen sozialen Charakter anerkannt worden ist. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Steuerfreiheit für Reitunterricht nur in engen Grenzen
Bezüglich des Reitunterrichts differenzierte der BFH. Nach der in den Streitjahren gültigen Fassung des Umsatzsteuergesetzes blieben die Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Das Finanzamt argumentierte, dass Pferdesport kein Schul- oder Hochschulunterricht ist, grundsätzlich der Freizeitgestaltung dient und als Freizeitsport betrieben wird. Dies gelte, wie beim Segeln, Schwimmen oder Tanzen auch, wenn die Teilnehmer ihre so erlernten Fähigkeiten erfolgreich beruflich nutzen können. Allein der Erwerb bestimmter Fähigkeiten ist noch keine Vorbereitung auf einen Beruf, die steuerfrei ist. Sonst wäre der Umfang der Steuerbefreiung grenzenlos, weil (nahezu) jede Tätigkeit auch beruflich ausgeübt werden kann.
Der BFH führte dagegen aus, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung auch dann vorliegen können, wenn nur wenige Teilnehmer eines Kurses die Absicht haben oder gar davon Gebrauch machen, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten später beruflich zu nutzen. Er folgte daher dem Finanzgericht und entschied:
- Die Umsätze aus der Großen Pferdegruppe sind umsatzsteuerfrei.
- Die Umsätze aus dem Reitunterricht bei Klassenfahrten und aus der Ponygruppe sind umsatzsteuerpflichtig.
Der BFH argumentierte, dass die abgehaltenen Kurse der Großen Pferdegruppe auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten ausgerichtet waren, die es ermöglichten, einen bestimmten Beruf -den Beruf des Turniersportreiters – zu ergreifen. Mit dem Unterricht sei das Ablegen von Leistungsabzeichen vorbereitet worden, mit denen wiederum eine sogenannte Jahresturnierlizenz zur Teilnahme an Turniersportprüfungen erworben werden könne. Ohne eine solche Jahresturnierlizenz sei der Einstieg in den Beruf des Turniersportreiters nicht möglich. Aufgrund der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde bestehe außerdem eine Indizwirkung, dass die Leistungen nicht der bloßen Freizeitgestaltung dienten.
Fazit: Spezialisierter Unterricht, sei es im Segeln, Tanzen oder Reiten, ist grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Nur in sehr engen Grenzen ist gegebenenfalls eine Umsatzsteuerbefreiung bei konkreter Vorbereitung auf einen Beruf möglich.