30-Prozent-Regelung der Niederlande ohne steuerliche Folgen
BFH widerspricht Finanzverwaltung
Um Fachkräfte anzuziehen, haben viele Länder steuerliche Erleichterungen für ausländische Arbeitnehmer eingeführt. Meist werden in diesen Fällen für einen begrenzten Zeitraum ein niedrigerer Steuersatz oder gar Steuerbefreiungen gewährt. Unter bestimmten Umständen könnte es dadurch dazu kommen, dass Einkünfte zumindest teilweise nicht besteuert werden. Dies ist den Finanzverwaltungen ein Dorn im Auge, weshalb regelmäßig sogenannte Rückfallklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen oder in nationalen Steuergesetzen verankert werden. Das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH, Urteil vom 10. April 2025, VI R 29/22), behandelt die sogenannte 30-Prozent-Regelung in den Niederlanden, welche steuerliche Erleichterungen für ausländische Fachkräfte bietet.
Teilweise Tätigkeit eines Arbeitnehmers in den Niederlanden
Der Steuerpflichtige, ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer, war im Streitjahr für ein niederländisches Unternehmen tätig. Er verbrachte 157 Arbeitstage in den Niederlanden und 80 Tage in Deutschland. Aufgrund der Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und den Niederlanden waren die 157 Arbeitstage unstreitig in den Niederlanden als Tätigkeitsstaat steuerpflichtig.
In Deutschland erklärte der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter Freistellung des auf die niederländischen Arbeitstage entfallenden Gehalts, jedoch unter Progressionsvorbehalt. Das bedeutet, die niederländischen Einkünfte werden in die Berechnung des deutschen Steuersatzes einbezogen.
In den Niederlanden hatte der Arbeitgeber das Gehalt unter Anwendung der sogenannten 30-Prozent-Regelung versteuert, wodurch 30 Prozent der Einkünfte dort steuerfrei blieben.
Funktionsweise der 30-Prozent-Regelung
Das niederländische Gesetz erlaubt Arbeitgebern unter bestimmten Bedingungen die steuerfreie Erstattung von sogenannten extraterritorialen Kosten, maximal 73.800 Euro pro Jahr. Diese Erleichterung richtet sich insbesondere an hochqualifizierte Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit entweder in die Niederlande umziehen müssen oder täglich pendeln.
Die Regelung wurde eingeführt, um die Mehrkosten aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten in den Niederlanden und andere Kosten zu kompensieren. Diese Kosten umfassen unter anderem Ausgaben für Erkundungsreisen, Unterkunftssuche, Verwaltungskosten für Visa und Aufenthaltsgenehmigungen, Sprachkurse, doppelte Haushaltsführung oder Familienheimfahrten. Die Regelung erlaubt den Arbeitgebern, entweder die tatsächlich entstandenen Kosten gegen Vorlage von Nachweisen zu erstatten oder pauschal 30 Prozent des Gehalts steuerfrei auszuzahlen, ohne dass der Arbeitnehmer den tatsächlichen Kostenaufwand belegen muss.
Nähere Informationen zu den Voraussetzungen finden sich auf der deutschsprachigen Seite der niederländischen Finanzverwaltung.
Finanzamt will Rückfallklausel anwenden
Das deutsche Finanzamt hat die vom niederländischen Arbeitgeber steuerfrei gestellten 30 Prozent des Gehaltes in Deutschland nachversteuert. Zur Begründung führte es an, dass das Doppelbesteuerungsabkommen eine Freistellung nur erlaube, sofern die Einkünfte in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Ist dies nicht der Fall, fällt das Besteuerungsrecht an Deutschland zurück.
Dies entspreche auch der Verwaltungsmeinung im BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2023. Im in Textziffer 421 genannten Beispiel werde die 30-Prozent-Regelung explizit als Fall für die Anwendung der Rückfallklausel genannt. Das Finanzgericht folgte dieser Argumentation.
BFH widerspricht Finanzverwaltung
Der BFH jedoch urteilte zu Gunsten des Steuerpflichtigen und gewährte die Freistellung der Einkünfte unter Progressionsvorbehalt. Er untersuchte genau die Voraussetzungen für die Anwendung der Rückfallklausel im DBA Deutschland/Niederlande.
Die für die Steuerfreistellung notwendige tatsächliche Besteuerung im anderen Vertragsstaat liegt nach dem Urteil des BFH vor, wenn dieser Staat (hier Niederlande) die betreffenden Einkünfte in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezieht. Das gilt auch, wenn Vorschriften zur Einkünfteermittlung oder die steuerfreie Erstattung von Aufwendungen wie eine teilweise Nichtbesteuerung wirken.
Hingegen fehlt es an einer tatsächlichen Besteuerung, mit der Konsequenz der Anwendung der Rückfallklausel, falls Einkünfte in den Niederlanden aufgrund einer sachlichen oder persönlichen Steuerbefreiung nicht besteuert werden. Doch dies sei nach Ansicht des BFH in Bezug auf die 30-Prozent-Regelung nicht gegeben.
Denn bei dieser handele es sich um die pauschalierte Erstattung von Werbungskosten des Steuerpflichtigen. Von einer Nichtbesteuerung kann daher keine Rede sein. Ob der Steuerpflichtige die entsprechenden Kosten im Rahmen seiner Steuererklärung als Werbungskosten ansetzt und damit seine Einkünfte mindert oder der Arbeitgeber diese Werbungskosten stattdessen steuerfrei ersetzt, mache keinen Unterschied. Es spiele auch keine Rolle, ob tatsächliche Kosten oder ein pauschaler Betrag ersetzt werden oder ob es in Deutschland vergleichbare Regelungen gibt.
Fazit
Das Urteil ist für die betroffenen Mitarbeiter sehr erfreulich, lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf die Regelungen anderer Länder für ausländische Fachkräfte übertragen. Es muss in jedem einzelnen Fall das jeweilige DBA genau geprüft und die Rechtsnatur der ausländischen, begünstigenden Regelung bestimmt werden, um die Anwendung einer Rückfallklausel auszuschließen.